Kennt ihr die Quersumme von Anno? Egal ob Anno 1404, Anno 1800 oder jetzt Anno 117 – die Quersumme der Zahlen ergibt immer Neun. Und auch Pax Romana – neun Buchstaben. Die Anno-Formel scheint zu wirken. Doch kann nach zahlreichen Ausflügen in verschiedene historische und fiktive Epochen die „Anno“-Reihe mit Anno 117 und den Weg zurück in die Antike – genauer gesagt ins Jahr 117 n. Chr., zu einer Zeit, die oft als Höhepunkt des römischen Imperiums betrachtet wird, überzeugen? Wir übernehmen hier die Rolle eines Provinzgouvernes, bauen Städte und organieren unseren Handel. Altbekannte Formel, doch kann sie auch überzeugen?
Visuell macht Anno 117 auf jeden Fall einen starken Eindruck. Die Landschaften, sowohl mediterran als auch nördlicher geprägt, sind detailliert gestaltet, Gebäude und Infrastruktur wirken lebendig und gut animiert. Die Stadtaufbaumechaniken werden durch die Präsentation verstärkt: Straßenverläufe, Küstenanlagen, Hafenbauten – alles fügt sich stimmig ins Gesamtbild ein. Auch die Wahl zwischen verschiedenen Startprovinzen (etwa Latium oder Albion) bringt optische und atmosphärische Vielfalt ins Spiel. Durch die römische Thematik entsteht zudem eine spürbare Stimmung: antike Monumente, Handelsschiffe, Legionen im Hintergrund – all das vermittelt eine glaubwürdige Welt.
Die Ton- und Geräuschkulisse trägt dazu bei: vom geschäftigen Markt über Seezugänge bis zu ruhigen Inselabschnitten entsteht eine dichte Stimmung, die zum Verweilen einlädt. Insgesamt überzeugt das Spiel hier auf ganzer Linie – zumindest im ersten Eindruck.
Beim Gameplay schlägt Anno 117 unterschiedliche Wege ein: klassisches Stadtbauen und Ressourcenmanagement kombiniert mit strategischen Elementen wie Diplomatie, Expansion und kulturellem Einfluss. Wer schon frühere Titel der Reihe kennt, fühlt sich sofort heimisch: Produktionsketten, Bürgerbedürfnisse, Infrastruktur –, all das ist vorhanden. Gleichzeitig gibt es Neuerungen: Zum Beispiel die Möglichkeit, Bauflächen diagonal anzuordnen oder Produktionsgebäude so zu platzieren, dass sie Einfluss auf Umgebung und Effizienz haben. Diese kleinen Änderungen bringen frischen Wind in etablierte Systeme und vertiefen das Spiel auf eine ganz eigene Art und Weise.

Die Zugänglichkeit wurde ebenfalls verbessert: Neue Spieler finden schneller in das System hinein, Tutorials und erste Missionen wirken weniger abschreckend als in früheren Teilen. Wer sich mit den Mechaniken vertraut gemacht hat, wird aber merken, dass die Tiefe stimmt – auch wenn das Spiel nicht mehr den Hardcore-Komplexitätsgrad einiger Vorgänger anstrebt. Was im Test mir selbst positiv aber anderen durchaus nicht ausschließlich positiv aufgefallen ist, ist die Menüführung.
Ein zentrales Element ist die Wahl zwischen wirtschaftlicher Expansion und politischer/militärischer Dominanz. Zudem spielt Kultur eine Rolle: Man kann nicht einfach stur Ressourcen anhäufen, sondern muss die Bevölkerung zufriedenstellen, Handelswege sichern und auf äußere Einflüsse reagieren. All das vermittelt Spannung und Zielorientierung. Allerdings: Wer rein auf militärische Eroberung setzt, wird merken, dass das Kampfsystem nicht im Vordergrund steht – Anno 117 bleibt ein Aufbauspiel, kein reiner Kriegssimulator.
Stärken
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Starke Atmosphäre und Thema: Die Antike als Schauplatz wirkt frisch und spannend, gerade für eine Serie, die oft in späteren Epochen angesiedelt war.
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Solide Mechanik mit Neuerungen: Vertraute Systeme wurden sinnvoll aufgefrischt, ohne das Spielgefühl komplett umzustoßen.
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Guter Einstieg für Einsteiger: Die Lernkurve ist angenehmer als früher, erste Schritte gehen flotter von der Hand.
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Langzeitmotivation vorhanden: Wer einmal eine funktionierende Provinz aufgebaut hat, entdeckt gerne neue Inseln, Handelsknotenpunkte oder alternative Wege zur Expansion.
Schwächen
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Nicht mehr so tief wie manche Vorgänger: Wer maximale Komplexität oder rohe Herausforderung sucht, könnte leichter enttäuscht sein; einige Systeme wirken etwas abgespeckt im Vergleich zu früheren Teilen.
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Kampfelemente eher dezent: Wer auf intensive militärische Auseinandersetzungen hofft, wird feststellen, dass diese eher Mittel zum Zweck sind und nicht Hauptfokus.
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UI und Informationsflut: Nach einiger Zeit kann die Fülle an Zahlen, Statistiken und Werten etwas überfordern – das klassische Aufbauen-Gefühl wird gelegentlich durch Verwaltungsaufwand getrübt.
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Coöp-/Mehrspieler-Erwartung nicht primär erfüllt: Der Fokus liegt stark auf dem Solo-Erlebnis; Mehrspieler-Partien sind möglich, aber nicht so prominent ausgearbeitet wie in manchen Vorgängern.
Anno 117: Pax Romana gelingt der Spagat zwischen Bewährtem und Neuerung. Für Fans der Serie bietet das Spiel vieles Vertraute – und dennoch genug Frisches, um nicht einfach „nur der gleiche Teil mit neuem Kleid“ zu sein. Wer neu ins Genre einsteigen möchte, findet einen soliden Einstieg: Die Mechanik ist zugänglich, die Präsentation einladend, das Ziel klar. Für Hardcore-Strategen oder Aufbau-Veteranen stellt sich die Frage, ob genug Herausforderung bleibt – hier hängt viel vom eigenen Spielstil ab.

In der Praxis verbringt man leicht zehn, zwanzig Stunden damit, eine erste stabile Provinz zum Laufen zu bringen: Straßen ziehen, Produktionen optimieren, Handelspartner etablieren. Dann eröffnet sich oft die zweite Insel, vielleicht die erste größere Expansion – und sofort wird die Logistik anspruchsvoller, die Versorgungsketten länger, die Entscheidungen gewichtiger. In solchen Momenten fährt Anno 117 groß auf: Das Gefühl, ein Imperium aufzubauen, wird real. Doch an manchen Punkten wünscht man sich noch mehr Tiefgang oder Überraschungen. Hier bleibt die Hoffnung bei den kommenden DLCs, welche bereits angekündigt wurden.
Auch bei der Geschichte sollte man nicht zu viel Tiefe erwarten. Anders als in den Vorgängern wählen wir hier zwischen zwei verschiedenen Charakteren, aber die grundlegende Geschichte bleibt die Gleiche. Aber diese Kritik wird dem Anno 117 nicht gerecht – denn das Spiel bietet wirklich viel.
Die grafische Umsetzung und die Stimmung verdienen ein Lob – Städte wirken lebendig, Infrastruktur ist sinnvoll verzahnt, und die Wahl zwischen verschiedenen Regionen bringt Abwechslung. Der Einstieg gelingt flüssig, der Spieler wird gut abgeholt. Dass dennoch gelegentlich der Verwaltungsaufwand spürbar wird, mindert das Erlebnis nicht, ist aber erwähnenswert.

Was mich persönlich absolut fasziniert hat: Jede Runde, auch die Kampagne, kann nun im Multiplayer gezockt werden. Und das auch mit Crossplay – egal ob ihr am PC und eure Freunde an der PlayStation oder Xbox spielt – ihr könnt das gemeinsam machen. Das ist eine wirklich wertvolle Neuerung, die mich im Vorgänger Anno 1800 gestört hat – hier gab es diese Möglichkeiten nicht.
Für mich lautet das Fazit: Wer sich für den Aufbau- und Strategietitel interessiert und Spaß daran hat, Städte wachsen zu sehen, Mechaniken zu optimieren und langfristig zu planen, findet mit Anno 117 ein sehr gute Wahl. Die verschiedenen Systeme greifen gut ineinander und wirken stimmig.


